Am 2.9.2021 (Dach HAPIMAG) bzw. am 4.9.2021 (Dach IKEA) wurden die ersten Beprobungen nach der Säuberung der Dächer vorgenommen: HAPIMAG1 und IKEA1. Dazu wurden die neuen Ablagerungen zusammengefegt und vollständig mitgenommen.
Zuhause wurden beiden Probe getrennt dann zunächst in die verschiedenen Partikelgrößenfraktionen getrennt und anschließend daraus unter kontrollierten Bedingungen magnetisch reagierende Partikel extrahiert (vgl. hier, Methode 2). Aufgrund der geringen Mengen wurden die HAPIMAG1-Teilproben anschließend ohne weitere Nachbehandlung mithilfe des Stereomikroskop nach Mikrometeoriten durchsucht. Die IKEA1-Teilproben hingegen wurden zunächst noch gewaschen, leichte Partikel (allen voran die häufigen Aggregatklümpchen aus organischen und anorganischen Partikel – vgl. hier) dekantiert und die Proben anschließend im Ultraschallwasserbad gereinigt, bevor sie dann ebenfalls auf Mikrometeorite hin durchsucht wurden. Von der IKEA1-Probe wurden auch die nicht-magnetischen Fraktionen gereinigt und anschließend Mikroskop durchsucht. Eine Übersicht über die Probemengen gibt nachfolgende Tabelle und einen optischen Eindruck der Proben die beiden nachfolgenden Grafiken.
Probe | HAPIMAG1 | IKEA1 | |||||
Tag der Erhebung | 2.9.2021 | 4.9.2021 | |||||
Zeitspanne seit letzter Beprobung (Nullprobe) | 44 Tage | 35 Tage | |||||
Gesamtgewicht | 1521,9 g | 371,9 g | |||||
Fraktion | Probe | Magnetischer Extrakt | Probe | Magnetischer Extrakt | nach Waschen / Dekantieren | Nicht-magnetisch, nach Waschen / Dekantieren | |
> 2000 µm | 36,1 g | (nicht weiter behandelt) | 70,7 g | (nicht weiter behandelt) | |||
800-2000 µm | 1109,0 g | 0,4 g | 63,1 g | 1,1 g | 0,8 g | (nicht weiter behandelt) | |
425-800 µm | 392,5 g | < 0,3 g | 57,7 g | 0,5 g | << 0,3 g | 3,7 g | |
250-425 µm | 86,0 g | 0,3 g | 54,9 g | 0,6 g | << 0,3 g | 2,8 g | |
150-250 µm | 17,6 g | < 0,3 g | 70,4 g | 1,4 g | << 0,3 g | 2,5 g | |
100-150 µm | 3,3 g | < 0,3 g | 39,8 g | 0,7 g | << 0,3 g | 0,7 g | |
<100 µm | 1,6 g | < 0,3 g | 8,3 g | 0,3 g | << 0,3 g | 0,3 g |
Ergebnisse
In der HAPIMAG1-Probe dominierten wie schon bei der Nullprobe von der Dachpappe stammende Schieferfragmente, die zu einem hohen Gewicht der Probe führten. In den magnetischen Extrakten wurden keine Mikrometeorite gefunden. 4 Sphärulen wurden am Elektronenmikroskop überprüft, erwiesen sich aber als terrestrische Partikel.
In der IKEA1-Probe dominierten die bereits beschriebenen Aggregatklümpchen aus organischen und mineralogischen Kleinstpartikeln. Auch im magnetischen Extrakt waren diese noch dominant. Erst nach dem Waschen und Dekantieren des magnetischen Extraktes kamen Sphärulen zwischen Metallfragmenten und eisenhalten Gesteinspartikeln zum Vorschein. In der nicht-magnetischen Fraktion dominierten nach dem Waschen helle Sandkörner. Es wurden insgesamt 19 Partikel aus den Proben extrahiert und am Elektronenmikroskop überprüft: 8 aus den magnetischen Fraktionen und 11 aus den nicht-magnetischen Fraktionen. Die Partikel aus den magnetischen Fraktionen wurden vor der Analyse am Elektronenmikroskop nochmals ausgiebig im Ultraschallwasserbad gereinigt. Die extrahierten Partikel aus der nicht-magnetischen Fraktion hingegen nicht (was man in dem Bild unten sehen wird). Die Suche in den nicht-magnetischen Fraktionen diente vor allem dem Test, ob sich darin gläserne Mikrometeorite (Typ Vitreous) ohne Metalltröpfchen finden lassen, was bisher in Proben von Dächern noch nicht gelungen ist. Aus Beobachtungen aus der Antarktis weiß man, dass bis zu etwa 20 % der kosmischen Kügelchen nicht-magnetische Sphärulen des Typs Vitreous sein können. Diese gelangen üblicherweise nicht in magnetische Extrakte und werden daher im urbanen Raum meist nicht erfasst.
Nachfolgende Zusammenstellung von Einzelaufnahmen am Elektronenmikroskop und die anschließende Tabelle geben einen Überblick über die gefundenen Mikrometeorite in der IKEA1-Probe.
Nr. | Typ | Größe (mittlerer Durchmesser) | Masse (errechnet bei angenommener Dichte von 2,7 g/m³) |
THMM964 | Barred Olivine | 461 µm | 138,5 µg |
THMM965 | Cryptocrystalline (Microcrystalline) | 237 µm | 18,8 µg |
THMM966 | Cryptocrystalline | 158 µm | 5,6 µg |
THMM967 | Cryptocrystalline | 163 µm | 6,1 µg |
THMM968 | Porphyritic Olivine | 119 µm | 2,4 µg |
THMM969 | Porphyritic Olivine | 132 µm | 3,3 µg |
THMM970 | Barred Olivine | 146 µm | 4,4 µg |
THMM971 | Vitreous | 208 µm | 12,7 µg |
THMM972 | Vitreous | 249 µm | 21,8 µg |
Summe: | 213,5 µg |
Es wurden in den magnetischen Fraktionen 7 Mikrometeorite gefunden: 2x BO, 3x CC (davon 1x mikrokristallin) und 2x PO (Klassifikation siehe hier). Partikel THMM964 dominiert aufgrund seiner Größe die Gesamtmasse des kosmischen Eintrags.
Mit THMM971 und THMM972 wurden 2 Mikrometeorite des Typs Vitreous in den nicht-magnetischen Extrakten gefunden. An deren Oberflächen anhaftende Kleinstpartikel (auf dem Bild oben erkennbar) sind auf die unzureichende Reinigung zurückzuführen und nicht Bestandteile der Mikrometeorite selbst. Bei THMM972 liegt zudem vermutlich ein Härchen oder eine Kohlenstofffaser von der vorangegangenen Bedampfung (vgl. hier) quer über der Probe.
Deren Zusammensetzung ist jedoch chondritisch und THMM971 weist zudem die oft bei gläsernen Mikrometeoriten zu beobachtenden kleinen rundlichen Vertiefungen auf, die manchmal als „erosion pits“ bezeichnet werden. Es ist mir allerdings unklar, ob es sich dabei wirklich Verwitterungserscheinungen handelt, schließlich dürfte dieser Partikel nur Tage der Verwitterung auf der Erde ausgesetzt gewesen sein. THMM972 weist etwas höhere Gehalte von Aluminium (Al) und Kalzium (Ca) auf und enthält kleine Mengen Titan (Ti). Dies könnte auf eine etwas stärkerer Erhitzung hindeuten, die schließlich zur Entstehung von sogenannten CAT-Sphärulen führen kann, bei denen dann die besonders hitzebeständigen Elemente Ca, Al und Ti deutlich überrepräsentiert sind. THMM972 soll später noch genauer untersucht werden.
Diskussion
Der Vergleich der Funde der beiden Proben HAPIMAG1 und IKEA1 deutet an, dass bei der weiteren Erfassung mit größeren Schwankungen zu rechnen ist und erste Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind. Hätte man lediglich eine der beiden Dachflächen HAPIMAG oder IKEA beprobt, so käme man nach der ersten Beprobung zu gänzlich unterschiedlichen Schlussfolgerungen.
Dennoch möchte ich hier mal eine Berechnung wagen unter der Annahme, dass das Ergebnis der IKEA1-Probe repräsentativ ist (was es noch durch weitere Untersuchungen zu ermitteln gilt):
Die berechnete Masse der in der IKEA1-Probe gefundenen Mikrometeorite beträgt 213,5 µg. 213,5 µg kosmischer Staub innerhalb von 35 Tagen auf einer Gesamtfläche von 1730 m² entspricht einem Eintrag von 1,29 µg/m²/yr bzw. auf die gesamte Erdoberfläche hochgerechnet global 656,9 t/yr.
Damit läge der Eintrag etwa 50x höher als der von Suttle et al. (2021) in einem ersten Quantifizierungsversuch anhand einer Dachbeprobung ermittelte Wert von 13,4 t/yr. Er reichte bis auf fast 44 % an den von Suttle & Folco (2020) mit 1500 t/yr bezifferten Eintrag heran, der auf Auswertung von Proben aus der Antarktis beruht.
Durch die Minimierung von Störfaktoren und die intensive Behandlung einer überschaubaren Sedimentmenge lassen sich offenbar zumindest einigermaßen realistische Eintragsmengen auch auf Dächern bestimmen. Spannend wird sein, ob diese erste Beobachtung durch nachfolgende Messungen bestätigt wird.