Analyse des Mikrometeoriten-Eintrags durch wiederholte Beprobung zweier Dächer in Berlin: Die drei ersten Beprobungen in 2022

An drei weiteren Terminen – am 5.3.2022, 147 Tage nach der letzten Probenahme, am 26.2.2022, 21 Tage später und am 30.04.2022, 35 Tage später – wurde das Dach IKEA erneut beprobt. Das Dach HAPIMAG wurde bisher nicht weiter beprobt. Wie üblich wurden alle neuen Ablagerungen zusammengefegt und vollständig mitgenommen.

Am 5.3. waren noch kleinere Wasserpfützen vorhanden, die trotz der 7 Tage vorangegangener Trockenheit wegen der winterlichen Temperaturen noch nicht abgetrocknet waren. Zum Austrocknen der Pfützen wurden 2 neue Methoden ausprobiert:

  • eine Wasserpumpe zum trockenpumpen kleiner Schiffe
  • die Nutzung eines großen Schwamms, mit dem das Wasser aus der Pfütze gesaugt wurde

Die Pumpe hat sich für die sehr flachen Pfützen als nicht praktikabel erwiesen, mit dem Schwamm konnten in ca. 30 min etwa 10 Liter Wasser aus den Pfützen gesaugt werden und die verbleibende Feuchte konnte noch überwiegend abtrocknen.

IKEA-Dach vor und nach der Trocknung
Feuchte-Situation auf dem Dach vor dem Trocknen mithilfe des Schwammes (oben) und nach dem Trocken etwa eine Stunde später (unten)

Die Probenahme erfolgte am 5.3. getrennt nach:

  1. äolischen Ablagerungen an den Dachrändern
  2. fluviatilen Ablagerungen in den Entwässerungsrinnen
  3. fluviatilen Ablagerungen um die Abflüsse herum

Am 30.4. und im Folgenden wurde nach

  1. äolischen Ablagerungen an den Dachrändern
  2. fluviatilen Ablagerungen in den Entwässerungsrinnen und um die Abflüsse

getrennt bebrobt.

Zuhause wurde jede Probe separat zunächst durch Trockensiebung in verschiedene Partikelgrößenfraktionen getrennt, anschließend gewaschen und leichte (organische) Partikel dekantiert (vgl. Methode) sowie im Ultraschallwasserbad gereinigt und zuletzt magnetisch reagierende Partikel extrahiert (vgl. Methode 2).

Anschließend wurden die Teilproben (verschiedene Größenfraktionen und magnetischer sowie nicht-magnetischer Anteil) unter dem Stereomikroskop nach Mikrometeoriten durchsucht.

Die kleineren nichtmagnetischen Fraktionen 100-150 und < 100 µm, wurden aufgrund die ungeheuer großen Partikelanzahl nur sporadisch oder gar nicht durchgeschaut.

Einen optischen Eindruck der drei Teilproben vom 5.3.2022 geben die nachfolgenden Grafiken.

Profil der Sedimentprobe an den Dachrändern
Profil der IKEA3-Teilprobe „Dachränder“ nach Partikelgrößenfraktionen und Behandlungsschritten
Profil der Sedimentprobe der Abflussrinnen
Profil der IKEA3-Teilprobe „Rinnen“ nach Partikelgrößenfraktionen und Behandlungsschritten
Profil der Sedimentprobe um die Dachabflüsse herum
Profil der IKEA3-Teilprobe „Abflüsse“ nach Partikelgrößenfraktionen und Behandlungsschritten

Ergebnisse und Diskussion

Die Probenmengen und Funde kosmischer Partikel aller bisherigen Untersuchungen seit dem 31.7.2021 sind in nachfolgender Tabelle zusammengefasst.

Nr.DatumAkkumulations-zeitraumGesamtmineralische Partikelmagnetischer Extraktdavon MMAnzahl MMMasse MMÄquivalent globaler EintragAnzahl MM/m²/a
IKEA-031.7.2021Reinigung
IKEA-14.9.202135 Tage301,2 g10,5 g0,9 g213,5 µg91,3 µg/m²/a656,9 t/a0,05
IKEA-29.10.202135 Tage192,5 g11,3 g0,6 g182,7 µg211,1 µg/m²/a562,1 t/a0,13
IKEA-35.3.2022147 Tage1149,7 g121,3 g2,5 g467,6 µg390,7 µg/m²/a342,6 t/a0,06
IKEA-426.3.202221 Tage839,8 g33,6 g0,5 g129,6 µg201,3 µg/m²/a664,6 t/a0,20
IKEA-530.4.202235 Tage1489,3 g39,2 g0,5 g222,7 µg141,3 µg/m²/a685,2 t/a0,08
Ergebnisse der ersten 5 Untersuchungen der IKEA-Dachfläche; Mineralische Partikel bezeichnen den Restbestand einer Probe nach dem Waschen und Dekantieren; MM = Mikrometeorite

Die Masse der eingetragenen Mikrometeorite scheint in den Beprobungszeiträumen relativ konstant zu sein. Er schwankt auf den globalen Eintrag umgerechnet zwischen 342,6 und 685,2 Tonnen pro Jahr.

Es scheint keine Korrelation von Mikrometeoriten und Meteorschauern zu geben.

Nr.DatumAkkumulationszeitraumAnzahl MMÄquivalent globaler EintragAnzahl beobachteter Meteore*Meteore/Tag
IKEA-14.9.202135 Tage9656,9 t/ac. 1221c. 35
IKEA-29.10.202135 Tage21562,1 t/ac. 482c. 14
IKEA-35.3.2022147 Tage39342,6 t/ac. 2546c. 17
IKEA-426.3.202221 Tage20664,6 t/ac. 114c. 5
IKEA-530.4.202235 Tage14685,2 t/ac. 282c. 8
Vergleich des Mikrometeoriteneintrags mit der Anzahl beobachteter Feuerbälle als Indikator für Meteorströme; *Quelle der Daten „All Sky Fireball Network; https://www.spaceweather.com/; einzelne Messpunkte fehlten und wurden unterpoliert

Dies passt auch zu den Aussagen von Genge et al. 2020, dass > 98 % der Mikrometeorite größer als 50 µm von Asteroiden stammt und nicht von Kometen, denn letztere sind die vorherrschenden Auslöser von ausgeprägten Meteorströmen.

Im längsten Beprobungszeitraum über den Winter wurde der geringste Eintrag ermittelt. Das könnte darauf hindeuten, dass sich mit der Länge des Beprobungszeitraums die Gefahr vergrößert, dass Mikrometeorite (vermutlich vor allem durch Entweichen über die Abflüsse) verloren gehen.

Inwieweit sich die ausgeprägte Konstanz des Eintrags fortsetzen wird oder ob dieser zufällig ist, werden zukünftige Messungen zeigen

Die Trennung nach aeolischen und fluviatilen Sedimenten sowie am 5.3. zusätzlich nach Sedimenten um die Abflüsse herum ergab sehr unterschiedliche Verteilungen der Mikrometeorite in diesen Teilsedimenten:

Nr.DatumAnzahl MMdavon im aeolischen Sediment (Ränder)davon im fluviatilen Sediment (Rinnen + Abflüsse)davon nur um die Abflüsse herum
IKEA-35.3.20223911281
IKEA-426.3.202220k.A.k.A.k.A.
IKEA-530.4.202214104k.A.

Es ist zu vermuten, dass die Wetterbedingungen im Vorfeld der Beprobung hierbei die steuernde Rolle spielen: Vermutlich werden die Mikrometeorite zusammen mit anderem Staub einerseits von Regen in den Rinnen zusammengespült, nach vollständigem Abtrocknen bei stärkerem Wind werden sie dann von dort an die Dachränder verfrachtet. Langfristig scheint sich auf einem Dach mit dieser Beschaffenheit der größere Anteil der Mikrometeorite in den randlichen (aeolischen) Dachsedimenten einzufinden (vgl. diese Untersuchung).

Von den bisher insgesamt bisher 103 gefundenen Mikrometeoriten wurden 15 den nicht-magnetischen Fraktionen entnommen, der überwiegende Teil dieser vom ist Typ Glas.

5 Gläserne Mikrometeorite
Mikrometeorite des Typs Glas in verschiedenen Farben aus nicht-magnetischen Fraktionen (Ausnahme THMM957 wurde aufgrund des großen Metalltropfens in der magnetischen Fraktion gefunden und stamm nicht von dieser Untersuchung)

Der Anteil der Mikrometeorite vom Typ Glas (unabhängig ob magnetisch oder nicht-magnetisch) beträgt bisher 14 % und liegt damit über dem üblichen dem Anteil urbaner Sammlungen (Suttle et al. 2021) und bei rund der Hälfte des Anteils repräsentativer antarktischer Sammlungen (Folco & Cordier 2015). Vermutlich werden noch nicht alle nicht-magnetischen Formen von gläsernen Mikrometeoriten entdeckt bzw. erkannt. Durch intensive Untersuchung lässt sich aber ein größerer Teil der gläsernen Mikrometeorite auch in Dachsedimenten bergen.


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