Einen potenziellen Mikrometeorit gefunden zu haben ist das eine, einen verifizierten Mikrometeorit gefunden zu haben, etwas anderes. Die optischen Kriterien am Mikroskop stimmen, doch wie kann man sich sicher sein, richtig zu liegen?
Nicht wenige Mikrometeorite insbesondere ab einer bestimmten Größe lassen sich mit entsprechender Erfahrung durchaus sicher als solche bereits unter dem Stereomikroskop erkennen. Diese Erfahrung muss man sich jedoch erst aneignen, in der Regel durch zahlreiche Analysen und Bestätigungen/Falsifizierungen.
Hat man nicht bereits die notwendige Erfahrung oder einen Kenner an der Seite, der den Fund bestätigen kann, oder aber hat man Exemplare, die nicht so recht ins beschriebene Muster passen, so hilft die Analyse im Labor. Hierzu benötigt man ein Rasterelektronenmikroskop (REM; engl. scanning electron microscope, SEM) oder eine Elektronenstrahlmikrosonde. Solche Geräte befinden sich kaum im Privatbesitz, sondern fast ausschließlich in Forschungslaboratorien. Ohne entsprechende Kontakte oder eine Kooperation wird man also nicht die Gelegenheit bekommen, die Proben im Labor zu verifizieren oder verifizieren zu lassen.
Dennoch soll hier vorgestellt werden, wie die Überprüfung an diesen Geräten erfolgt, zumal das Wissen darüber auch hilfreich für das allgemeine Verständnis über Mikrometeorite ist. Es lassen sich zwei hilfreiche Methoden anwenden:
- Bilderstellung aus Rückstreuelektronen (engl. backscattered electrons, BSE) durch Abtasten der Probe mittels Elektronenstrahl. Erzeugt wird dabei ein Schwarzweißbild. Die Helligkeiten spiegeln unterschiedlich schwere Elemente wider. Die Vergrößerung dieser Geräte reicht in den Auflösungsbereich 1 µm und weniger. Daher lassen sich hier Details entdecken, die bei der optischen Analyse verborgen bleiben. Zudem lassen sich Kristallstrukturen mit unterschiedlicher Elementzusammensetzung hier oftmals leichter erkennen als im optischen Bild.
- Elementspektrenerstellung durch energiedispersive Röntgenspektroskopie (engl. energy dispersive X-ray spectroscopy, EDX). Diese Analyse kann man gezielt an bestimmten Punkten der Probe vornehmen, um unterschiedliche Minerale/Phasen auf deren Elementzusammensetzung hin zu analysieren, oder aber über größere Bereiche der Probe ausführen, um einen generelle Aussage über die Elementzusammensetzung des Mikrometeoriten zu erhalten. Letzteres ist hilfreich, um die Probe auf eine chondritische Zusammensetzung hin zu analysieren, was als Bestimmungsmerkmal für die Mehrheit der Mikrometeorite (z. B. des häufigen S-Typs; vgl. hier) gilt. Man muss allerdings berücksichtigen, dass die Elemente bei Eintritt des Körpers in die Erdatmosphäre bei unterschiedlichen Temperaturen verdampfen, so dass leicht flüchtige Elemente im Mikrometeorit im Vergleich zum chondritischen Spektrum unterrepräsentiert sind.
Vorbereitend muss man dazu die Proben stets möglichst staubfrei:
- auf Kohlenstoffpads aufkleben, damit die Proben fest fixiert sind und die Elektronen des Elektronenstrahls über den Kohlenstoff abgeleitet werden können (die genaue Positionieren des Mikrometeoriten ist entscheidend dafür, welche Bilder/Analysen man mittels REM erstellen kann)
- mit Kohlenstoff bedampfen, was ebenfalls vor einer Aufladung der Probe durch Elektronenbeschuss dient
- in die Vakuumkammer des REM einschleusen
Für quantitative Untersuchungen werden die Proben vorher unter Umständen noch anpoliert, damit man einen Einblick ins Innere erhält und nicht nur die Oberfläche des Mikrometeoriten betrachten kann. Denn die äußere Oberfläche eines Mikrometeoriten und sein Inneres können in der Zusammensetzung und kristallinen Ausprägung voneinander abweichen (besonders stark z. B. beim Typ Scoriaceous; vgl. hier). Außerdem – weniger problematisch bei urbanen Mikrometeoriten aufgrund deren geringen Alters auf der Erde – kann die Oberfläche eines Mikrometeoriten durch chemische Verwitterung auf der Erde verändert worden sein. Die Klassifikation der Mikrometeorite beruht vorwiegend auf Erkennungsmerkmalen von anpolierten Proben. Die meisten Unterscheidungskriterien lassen sich jedoch gerade bei urbanen Mikrometeoriten bereits an deren Oberfläche erkennen. Für eine Verifizierung ist die Oberflächenanalyse daher meist ausreichend.
BSE-Aufnahmen
Nachfolgend werden einige Beispiele von BSE-Aufnahmen inkl. Interpretationen gegeben.
Mikrometeorit des Typs Cryptocrystalline mit der charakteristischen wellenförmigen Oberfläche [1], einem großen Metalltropfen (Eisen) an seiner Spitze [2], von dem ausgehend einer Eisenkruste [3] über den übrigen Körper überzieht. Magnetitkristalle an der Oberfläche sind hier aufgrund der hohen Temperaturen nicht (mehr) ausgebildet. Insgesamt ist die kristalline Struktur sehr fein bzw. kaum zu erkennen.
Bei diesem Mikrometeorit sind die erhöhten Bereiche feinkristallin [1], die vertieften weisen gröbere Kristallstrukturen auf: langgestreckte (gebänderten) Olivine [2] und dendritische Magnetite [3]. Das Kristallwachstum der Schmelze begann hier schlagartig an den erhöhten Bereichen und setzte sich verlangsamt in die tiefer gelegenen Bereiche fort, wo sich größere Kristalle bilden konnten. Solche Mischformen, die Charakteristika der Typen CC und BO vereinen, werden in der Wissenschaft meist zum Typ CC hinzugezählt.
Bei diesem feinkristallinen Turtleback hat ebenfalls das Kristallwachstum an den hervorstehenden Spitzen eingesetzt. Es setzte sich jedoch so schnell fort, dass keine größeren Kristalle entstehen konnten. Die dunklen Flecken in den Vertiefungen sind organische Verunreinigungen. Eine Reinigung des Mikrometeorits im Ultraschallbad hätte diese entfernen können.
Mikrometeorite des Typs BO (Barred Olivine) sind durch parallel laufende Bänder von Olivinekristallen gekennzeichnet, die in der Regel noch mit Magnetitkristallen übersäht sind. Letztere können dendritisch sein, klein und unverzweigt oder seltener auch ganz fehlen. Oft ist die Form beim Typ BO etwas eiförmig, nur sehr selten ausgesprochen kugelförmig.
Mikrometeorite des Typs Po (Porphyritic) können hingegen oft ausgesprochen kugelförmig sein. Große Olivinkristalle [1] schwimmen ohne einheitliche Ausrichtung in der glasartigen Matrix [2]. Magnetite sind oft vorhanden, können aber auch fehlen, wie in diesem Beispiel.
Bei diesem porphyritischen Mikrometorit sind Olivinkristalle an der Oberfläche nicht zu erkennen. Die Glasmatrix scheint lediglich von Magnetitkristallen überzogen zu sein. Zudem kennzeichnen zahlreiche, teils große Öffnungen und Hohlräume diesen Mikrometeorit.
Auch industrielle Partikel sehen durchaus beeindruckend aus und gewisse genannte Merkmale bei Mikrometeoriten treten auch dort auf. Daher ist es wichtig, die Merkmalszusammenstellung der Mikrometeorite zu kennen und nicht nach einzelnen Merkmalen zu beurteilen.
Magnetite an Oberflächen bilden sich auch häufig bei eisenhaltigen, irdischen Partikel unter Hitzeeinfluss. Es fehlen diesem Partikel aber sonstige kristalline Merkmale eines Mikrometeorits und die rundlichen kleinen Gruben und die rundlichen Anhängsel (unten) sind häufige Erscheinungsmerkmale industrieller Spherulen.
Nicht alle streifenförmigen Muster stammen von gebänderten Olivinen. Diese Spherule wird unter dem Mikroskop für den ungeübten Beobachter ein ähnliches Muster zeigen wie ein BO. Am REM zeigt, sich, dass die Streifen vorwiegend aus Eisenoxid bestehen (helle Färbung). Solche oft sehr kugeligen industriellen Partikel findet man sehr häufig in den Proben.
Dieser Partikel mag unter dem Stereomikroskop einem porösen porphyritischen Mikrometeorit ähneln (vgl. oben). Hier zeigt sich sofort durch die helle Färbung, dass charakteristische Elemente eines Po fehlen und der Partikel vorwiegend aus schweren Elementen (hier Eisen) besteht. Bei der Bestimmung unter dem Stereomikroskop ist es daher wichtig, die Farbe genau zu beachten. Dieser Partikel wird dort eher gräulich und nicht schwarz erscheinen, wie bei den meisten Po der Fall.
Die nachfolgenden beiden Partikel dürften unter dem Stereomikroskop eine sehr ähnliche Form zeigen. Am REM sind kristalline Merkmale zu erkennen, die schnell klar machen, dass ein Partikel außerirdischen und der andere irdischen Ursprungs ist.
EDX-Analysen
Wie oben bereits angesprochen lassen sich EDX-Analysen zur Bestimmung der Elementzusammensetzung unterschiedlich einsetzen. Verschiedene Strukturen kann man gezielt einzeln analysieren oder aber die Gesamtzusammensetzung des Mikrometeoriten messen. Nachfolgend einige Beispiele mit Erläuterungen.
Im obigen Diagramm sind 2 Messungen an einem Mikrometeorit aufgetragen. Die blaue Kurve zeigt die typische chondritische Zusammensetzung. Die grüne Kurve zeigt die Zusammensetzung des Metalltropfens bestehend vorwiegend aus Nickel und Eisen sowie sehr wenig Phosphor und Schwefel (nicht beschriftet). Da die Messung immer etwas streut sind hier auch kleinere Mengen von Mg, Al und Si aus dem umgebenden Bereich registriert. Um die Peaks richtig zu interpretieren muss man wissen, dass je weiter der Peak rechts im Diagramm liegt, desto mehr trägt er zur Elementzusammensetzung bei. So ergeben sich für die obigen beiden Graphen folgende prozentualen Verteilungen der Elemente (in Oxidform).
Spektrum | MgO | Al2O3 | SiO2 | P2O5 | SO3 | CaO | Cr2O3 | FeO | Ni |
Set20-73_body_bulk | 29,6 | 1,3 | 34,4 | 2,4 | 0,4 | 31,2 | 0,7 | ||
Set20-73_metalbead | 4,8 | 1,3 | 5,6 | 0,8 | 0,3 | 0,3 | 8,9 | 78,0 |
Bei porphyritischen Mikrometeoriten lässt sich die Elementverteilung in den unterschiedlichen Phasen sehr gut getrennt ermitteln (siehe Diagramm oben). Die Messung am Magnetitkristall (schwarze Kurve) zeigt den höchsten Eisenanteil aber auch signifikante Anteile von Chrom. Die glasartige Matrix (braune Kurve) weist überdurchschnittliche Calcium- und Aluminium- und Siliziumgehalte auf. Der Olivinkristall setzt sich ausschließlich aus den Elementen Magnesium, Silizium und Eisen zusammen. Die großflächigere Bulkmessung mittelt die Werte und ergibt somit wieder die typische chondritische Zusammensetzung, wobei Magnesium hier unterdurchschnittlich vertreten ist.
Abschließende Worte
Wer nun enttäuscht darüber ist, dass man den eigenen ersten verifizierten Mikrometeoriten in aller Regel doch nicht so ganz ohne fremde Hilfe erlangen kann, dem sei zur Aufmunterung gesagt, dass die Community an Interessenten und auch Experten derzeit rasant wächst und auch das Interesse in der Wissenschaft an diesem Thema hoch ist. Denn urbane („frische“) Mikrometeorite eignen sich besonders gut für manche wissenschaftliche Untersuchungen wie etwa die Isotopenanalyse zur Bestimmung des Alters der Partikel im interplanetaren Raum, das wiederum Rückschlüsse auf deren Herkunft zulässt.