Klassifikation

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Klassifikation der Mikrometeorite

Die vorherrschende Klassifikation der Mikrometeorite (Genge et al. 2008, auch Folco & Cordier 2015, ergänzend Suttle & Folco 2020) wurde anhand von vergleichenden Beobachtungen an einigen tausend polierten Partikeln aufgestellt, teilweise unterstützt durch quantitative Analysen der Elemente oder der Mineralphasen.

Sie basiert vor allem auf Unterschieden in der Struktur der Körper, auf unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen und auf morphologischen Unterschieden bedingt durch den Grad der Erhitzung bzw. des Aufschmelzens der Partikel bei Durchqueren der Erdatmosphäre.

Alle diese Charakteristika sind von zahlreichen Übergängen geprägt (denn die zugrundeliegenden Prozesse sind graduell), so dass eine Zuordnung nicht immer eindeutig vorgenommen werden kann. Dennoch ist die Klassifikation ein wertvolles Hilfsmittel in der fachlichen Kommunikation über Mikrometeorite. Sie kann zudem dabei helfen, die unterschiedliche Genese der Mikrometeorite und deren unterschiedliche Herkunft besser nachzuvollziehen.

Klassifikation anhand von Oberflächenmerkmalen

Eine Klassifizierung nur anhand von Oberflächeneigenschaften eines urbanen (wenig verwitterten) Mikrometeorits ist zwar prinzipiell oft möglich, birgt aber zusätzliche Unsicherheiten und Ungenauigkeiten, da Informationen über das Innere des Partikels nicht mit einbezogen werden. So ordneten Suttle et al. (2021) nach Polieren 48 urbaner Mikrometeorite 12,5 % davon abweichend ein im Vergleich zur vorangegangenen Klassifizierung auf Basis von Oberflächenanalysen.

Das Ordnungssystem und die verschiedenen Typen

Die nachfolgende Grafik zeigt das Ordnungssystem der Mikrometeorite. Typen in gestrichelten Kästen bedürfen für eine Zuordnung in der Regel der Einsicht ins Innere des Partikels und damit der Anfertigung eines Schliffes. Auf dieser Internetseite wird in der Regel eine Zuordnung bis zur untersten Ebene vorgenommen, die noch rein an Oberflächenmerkmalen vorgenommen werden kann.

Ordnungssystem der Mikrometeorite
Ordnungssystem der Mikrometeorite nach Genge et al. (2008) und anderen (siehe Text)

Auf der obersten Ebene der Klassifikation unterscheidet man die drei Gruppen

  • Ungeschmolzene Mikrometeorite (unmelted micrometeorites)
  • Teilgeschmolzene Mikromteorite (partially melted / scoriaceous micrometeorites)
  • Geschmolzene Mikrometeorite (melted micrometeorites / cosmic spherules)

Je nach Gruppe dienen unterschiedliche Kriterien für die weitere Unterteilung. Dabei wird hier auf eine genaue Zuordnung der Ebenen und auch auf deren Benennung (Klasse, Typ, Subtyp, Variante) verzichtet, da beides in der Literatur variiert und für die Praxis nicht relevant ist. Vereinfacht wird immer von Typ gesprochen.

Bei den ungeschmolzenen Mikrometeoriten ist die ursprüngliche Struktur des Ausgangskörpers erhalten geblieben. So wird dort unterschieden, ob dieser fein- (FgMM) oder grobkörnig (CgMM) ist oder ob er einen hohen Anteil volatiler Elemente (ultracarbonaceous MM) hat. Bei einer signifikanten randlichen Erhitzung kann ein „Feuerrand“ (igenous rim, magnetite rim) auftreten oder eben auch ganz fehlen.

Feinkörnig aufgebaute Mikrometeorite (FgMM) bestehen aus mikroskopisch kleinen Mineralkörnern ähnlich der Matrices von Meteoriten des Typs CI, CM und CR. Sie sind oft dominiert durch amorphe meist eisenreiche Silikate, können thermisch verändert oder unverändert sein, kompakt oder porös sein sowie chemisch homogen oder heterogen.

Grobkörnig aufgebaute Mikrometeorite (CgMM) haben magmatische Texturen und sind dominiert durch mehrere Mikrometer große Olivine/Pyroxene oft innerhalb einer glasartigen Grundmasse mit akzessorisch vorkommenden Metallsulfiden und Eisenoxiden. Ein CgMM kann auch aus einem einzigen Kristall bestehen.

Kohlenstoffreiche Mikrometeorite (ultracarbonaceous MMs) bestehen aus einem Geflecht von amorphem Kohlenstoff, Olivin, Pyroxen und anderen Mineralen. Es wurden bislang nur wenige Exemplare gefunden, alle im antarktischen Eis. Ihnen werden Kometen als wahrscheinlichste Quelle zugeschrieben.

Bei den teilgeschmolzenen Mikrometeoriten lässt sich eine Zuordnung zu fein- oder grobkörnig nur noch anhand der Relikt-Phasen erkennen. Charakteristisch und namensgebend für diesen auch als Scoriaceous („schlackenartig“) bezeichneten Typ sind die zahlreichen Poren im Inneren des Körpers, die allerdings nur im Querschnitt in ihrer Vielzahl erkennbar sind. Unter dem Mikroskop weisen diese Partikel oft eine gelappte Oberflächenstruktur auf und zuweilen eine schwach ausgeprägte gelblich-messingfarbige Farbnote im ansonsten eher mattgräulichen Körper, die von den an der Oberfläche vielfach präsenten Eisensulfidtröpfchen herrühren könnte.

Bei den (nahezu) vollständig geschmolzenen Mikrometeoriten (kosmischen Sphärulen) ist das ursprüngliche Material des Körnchens aufgeschmolzen und hat sich vermischt. Die primären Phasen sind also nicht mehr erkennbar und ein wesentlicher Teil der Information des ursprünglichen Körpers ist somit verloren gegangen. Hier richtet sich die Unterteilung nach der noch erkennbaren unterschiedlichen chemischen Gesamtzusammensetzung des Ausgangsmaterials (Silikat, Eisen, Mischform) und innerhalb der Silikatischen (S-type) zudem nach morphologischen Unterschieden bedingt durch unterschiedlich schnelle Rekristallisierung.

Der Grad der Aufschmelzung und die Rekristallisierungsgeschwindigkeit ist maßgeblich abhängig von der Größe des Partikels, dessen Dichte, Geschwindigkeit bei Eintritt in die Erdatmosphäre sowie dem Eintrittswinkel. Zum Ausdruck kommt dies in der Größenverteilung geschmolzener und ungeschmolzener Mikrometeorite: Ungeschmolzene Mikrometeorite überwiegen bei Partikelgrößen < 50 µm, bei Mikrometeoriten > 100 µm (üblicherweise die Größe der aus dem urbanem Raum geborgenen Mikrometeorite) spielen sie nur eine untergeordnete Rolle.

Man unterscheidet bei den kosmischen Sphärulen nach Ausgangsmaterial:

  • Silikatische (S-type)
  • Eisendominierte (I-type)
  • Intermediäre Form (G-type)

Silikatische kosmische Sphärulen (S-type) dominieren in den Sammlungen mit > 95 %. Vertreter von I-type und G-type stellen meist etwa jeweils 1-2 % der Sphärulen dar. In urbanen Sammlungen sind sie jedoch aufgrund der schwierigen Unterscheidung von industriellen Sphärulen oft noch seltener oder fehlen ganz.

Bei den silikatischen kosmischen Sphärulen bildeten sich im Zuge der Erhitzung zwei nicht mischbare Schmelzen, die dominierende silikatische und die metallische. Aufgrund der höheren Dichte wandert die metallische Schmelze an den Rand des Partikels und kann sich ganz von der silikatischen abtrennen oder aber am Rand rekristallisieren und schließlich als Metalltropfen (metal bead), Metalltröpfchen (metal droplet) oder als winziges µm-großes Tröpfchen mit Plantingruppenelementen (PGE nuggets) in Erscheinung treten.

Da der Schmelzprozess bedingt durch die Reibung mit den Luftmolekülen an den Außenrändern des Partikels beginnt, können einzelne Reliktminerale (vor allem Mg-reiche Olivine, seltener Pyroxene, Chromite und Feldsparte) im Innern vom vollständigen Aufschmelzen verschont und schließlich im wiedererstarten Körper als solche erhalten bleiben. Dies ist vor allem bei Typ Porphyritic zu beobachten aber nur nach Anfertigung eines Schliffes. Beim Typ Scoriaceous treten solche Reliktminerale noch häufiger auf. Der weitaus überwiegende Teil jedoch besteht aus Kristallneubildungen aus der Schmelze, deren Struktur maßgeblich von der Rekristallisierungsgeschwindigkeit abhängt: Je höher diese, desto kleiner die Kristalle, mit den glassartigen Mikrometeoriten ohne erkennbare Kristalle an dem schnellsten Ende und porphyritischen Mikrometeoriten mit großen Kristallen am langsamsten Ende.

S-Typ-Sphärulen werden deshalb auch in Abhängigkeit der vorherrschenden Abkühlungsprozesse in folgende Typen unterschieden:

  • Glass (V) = Vitreous
  • Cryptocrystalline (CC)
  • Barred Olivine (BO)
  • Porphyritic (PO)

Durch besondere chemischen Zusammensetzung werden davon manchmal noch abgetrennt die CAT-Sphärulen und Ca-Al-Sphärulen, welche durch einen höheren Grad der Verdampfung des Materials charakterisiert sind, wodurch sich die feuerfesten Elemente (Ca, Al, Ti) relativ anreichern.

Suttle & Folco (2020) haben eine verfeinerte Einteilung der kryptokristallinen Mikrometeorite eingeführt, die hier übernommen wird. Sie ist gut anhand von Oberflächenmerkmalen nachvollziehbar.

  • Mikrokristallin (CC-mc): stellenweise mit vorherrschender Gitterstruktur der Kristalle (typisch für BO), stellenweise mit zufällig orientierten Olivin- und Magnetitkristallen (typische für CC)
  • CC-Turteback (CC-t): mit mehreren erhöhten kristallinen Bereichen, deren Ränder vertieft liegen und so der Sphärule eine Schildkrötenpanzer-ähnliche Oberflächenstruktur verleihen – erzeugt von einem Kristallwachstum, das an der Oberfläche begann und sich ins Innere der Sphärule fortgesetzt hat. Meist ohne erkennbare Magnetitkristalle.
  • CC-normal (CC-n): mit Olivin- und Magnetitdendriten in Submikrometergröße ohne Anzeichen von Balkenstrukturen.

Auch fürden Typ Porphyritic beschreiben Suttle & Folco (2020), übernommen von Ginneken et al. (2017), eine weitere Unterteilung in „normale“ PO und µPO. Normale PO zeigen „euhedrale“, also mit klar ausgeprägten Kristallflächen ausgestattete große (> 10 µm) Kristalle. Vertreter von µPO weisen zahlreiche „subhedrale“ (nur teilweise mit deutlichen Kristallflächen ausgestattete) kleinere (< 10 µm) Kristalle auf sowie oft zahlreiche Luftbläschen. Die Unterscheidung in der Regel ist nur anhand von angeschliffenen Proben möglich und wird deshalb hier nicht übernommen.

Genge et al. (2008) empfehlen Porphyitic Olivine, die noch unaufgeschmolzene Reliktminerale enthalten, mit dem Prefix „relict-bearing“ zu kennzeichnen. Auch dies ist nur anhand von Schliffen nachweisbar.

Wie häufig sind welche Typen?

Mikrometeoritensammlungen aus der Antarktis haben den Vorteil, dass sie bezügliche der Typen recht repräsentativ sind, weil der überwiegende Teil der Mikrometeorite dort aus dem beprobten Sediment oder dem Eis extrahiert werden kann. Urbane Sammlungen sind in der Regel nicht repräsentativ bezüglich des Typenspektrums, weil das Erkennen mancher Mikrometeorite oder gar ganzer Typen zwischen den industriellen Stäuben schwierig bis zum Teil nahezu unmöglich ist, zumindest nach aktuellem Kenntnisstand. So sind die unter einem Stereomikroskop leichter erkennbaren Typen CC, BO und PO meist sehr gut repräsentiert, der Typ Glass (V) ist aufgrund oft fehlender magnetischer Eigenschaften durch die zumeist angewendete Methode (vergleiche hier) seltener vertreten, da nur Exemplare mit Metalltröpfchen in den durchsuchten Probe landen. Vertreter von G-type und I-type sind aufgrund der schwachen Differenzierungsmerkmale gegenüber industriellen Sphärulen unterrepräsentiert oder fehlen ganz. Auch der Typ Scoriaceous ist selten vertreten, der Typ unmelted sehr selten bis gar nicht. Bei beiden ist die Verwechselung mit optisch ähnlichen, zahlenmäßig weit überlegenen irdischen Partikeln der Grund. Natürlich spielt der Kenntnisstand des Bearbeiters hierbei eine entscheidende Rolle.

Wie repräsentativ urbane Mikrometeoritensammlungen derzeit sein können, lässt die nachfolgende Grafik erkennen.

Vergleich der Häufigkeitskurven über die unterschiedlichen Mikrometeoriten-Typen in zwei Sammlungen der Antarktis und einer urbanen Sammlung und sich daraus ergebene Erfassungslücken
Repräsentanz einer urbanen Mikrometeoritensammlung durch Vergleich mit Häufigkeitskurven unterschiedlicher Mikrometeoriten-Typen in zwei (als repräsentativ angenommenen) Sammlungen der Antarktis und einer urbanen Sammlung und sich daraus ergebene Erfassungslücken; Quellen: Suttle & Folco (2020), Genge et al. (2018)

Die verschiedenen Mikrometeoriten-Typen im Detail

Nachfolgend werden die charakteristischen Merkmale der verschiedenen Mikrometeoriten-Typen mithilfe von Licht- und Elektronenmikroskop-Bildern vorgestellt: