Während unter den kosmischen Sphärulen der S-Typ (Silikat-Typ) mit den Untertypen Vitreous (Glass), CC (Cryptocrystalline), BO (Barred Olivine) und Po (Porphyritic) zahlenmäßig dominiert, sind Vertreter von I-Typ und G-Typ selten. In urbanen Sammlungen fehlen diese zumeist ganz, weil Sie nur schwer von den industriellen Sphärulen zu unterscheiden sind.
Im Folgenden wird beschrieben, wie ein G-Typ-Mikrometeorit (THMM480) in einer Probe eines Flachdachs identifiziert und verifiziert wurde, ohne dass er durch einen Anschliff zerstört werden musste.


Unter der Stereolupe in der Probe war dieser Partikel aufgrund seiner geringen Größe nur als auffällig schwarze, annähernd runde aber dennoch etwas irregulär geformte Sphärule zu erkennen. Die hier erkennbaren Oberflächenstrukturen waren dort allenfalls zu erahnen. Zusammen mit 61 weiteren Kandidaten für Mikrometeoriten in der Fraktion 100-150 µm einer Probe vom Juni 2019 eines großen Dachs durchging er den Weg der Überprüfung am Rasterelektronenmikroskop (REM).
Das Übersichtsbild der etwa 125 µm großen Sphärule passt zunächst einmal zu keinem der bekannten Kandidaten des S-Typs und auch nicht zum Typ Scoriaceous: Die Oberfläche wird von dentritischen Magnetiten dominiert, wie dies auch bei manchen industriellen Sphärulen der Fall ist. Darunter bzw. dazwischen liegt noch eine andere Phase mit bandartigen Strukturen und geringerer Elementmasse (dunklere Farbe im Bild):

Die Spektralanalyse zeigte eine annähernd chondritische Zusammensetzung und das Vorhandensein von Nickel. Abweichend gegenüber Werten von Bulk-Messungen (flächige Messungen abseits von Metalltropfen) bei Vertretern des S-Typs sind jedoch:
- der ungewöhnlich hohe Eisengehalt (ca. 55 %)
- die Anwesenheit von Natrium (kommt sonst nur gelegentlich beim Typ Porphyritic vor)
- die Anwesenheit von Schwefel (kommt sonst nur in Verbindung mit Metalltropfen oder -krusten vor)
- die Anwesenheit von Kalium (wurde bisher nie gemessen, es sei denn bedingt durch organische Verunreinigungen, die am Mikrometeorit hafteten)
- außergewöhnlich viel Titan


Die gezielte Messung an den beiden vorkommenden Phasen zeigt, dass Titan in den Magnetitkristallen eingebaut ist, was man von vielen Mikrometeoriten kennt. Durch die hohe Dichte der Magnetitkristalle ergibt sich der hohe Gehalt an Titan. Die untere Schicht offenbart Gehalte von Natrium, Schwefel und Kalium. Natrium und Schwefel gelten als Elemente, die schon bei weniger starker Erhitzung verdampfen. Kalium wird selten als signifikanter Bestandteil in Mikrometeoriten erwähnt, kommt aber nicht selten bei industriellen Partikeln vor. Diese ungewöhnlichen Elementvorkommen sowie das optische Erscheinungsbild ließ mich zunächst schließen, dass es sich vermutlich um einen irdischen Partikel handelt.
An einem anderen Tag schaute ich nochmal den Partikel am REM an und entdeckte beim Spielen mit der Kontrasteinstellung einen winzigen hellen Punkt, der auf den dendritischen Magnetitkristallen auflag (durch die geringere Kontrasteinstellung wirken diese nun dunkler als im vorherigen Bild):

Die Messung des Elementspektrums dieses Punktes war dann der Durchbruch.

Dieses Spektrum hatte ich schon an anderen Mikrometeoriten beobachten können, es ist ein Mikrotröpfchen mit den Platin-Gruppen-Elementen (PGE) Osmium, Iridium, Platin, Ruthenium, Rodium und Palladium. Solche Tröpfchen kommen nicht selten bei Mikrometeoriten vor, für irdische Partikel hingegen wäre diese Zusammensetzung extrem ungewöhnlich.
Aber wie sollte man den Mikrometeoriten klassifizieren? War es ein BO (Barred Olivine) mit ungewöhnlich viel Magnetit auf der Oberfläche? Oder lässt der hohe Eisengehalt den Schluss zu, dass es sich um einen Verteter des G-Typ handelt?
Oberflächenbilder von Mikrometeoriten des G-Typs sind in der Literatur recht selten, da die Mikrometeorite für die Analysen oft zunächst anpoliert werden um den Blick in das unverwitterte Innere freizulegen. Ein Oberflächenfoto eines antarktischen Fundes findet sich in der Publikation „Micrometeorites“ von Folco und Cordier (2015) in Fig. 3j. Die Auflösung des Bilds ließ jedoch keinen Vergleich zu. Dieser erfolgte erste nach Zusendung des Originalbilds. Obwohl der Partikel aus der Literatur mit ca. 400 µm Durchmesser wesentlich größer ist und obwohl bekanntermaßen Mikrometeorite aus der Antarktis an der Oberfläche oft stärker verwittert sind als urbane Exemplare, so lässt sich doch das gleiche Muster erkennen:

Gemäß Literatur über antarktische Mikrometeorite sind für den G-Typ die Elementvorkommen von Na, K und S nicht charakteristisch. Möglicherweise handelt es sich bei THMM480 um ein weniger stark erhitztes Exemplar oder deren Elementvorkommen ist auf die geringe Verwitterung zurückzuführen.
In jedem Fall ist durch den Abgleich mit dem Bildmaterial eines antarktischen Vertreters der Nachweis gelungen, dass es sich bei THMM480 um den G-Typ handeln.
Identifying a G-type micrometeorite
While the S-type (silicate-type) with the sub-types Vitreous (Glass), CC (Cryptocrystalline), BO (Barred Olivine) and Po (Porphyritic) predominate among the cosmic spherules, representatives of the I-Type and the G-Type are rare. In urban collections, these are mostly completely absent because they are difficult to distinguish from the industrial spherules.
The following describes how a G-type micrometeorite (THMM480) was identified and verified in a sample of a flat roof without it being polished.


Due to its small size, this particle appeared under the stereo microscope in the sample as a conspicuously black, approximately round but nevertheless somewhat irregularly shaped spherule. The surface structures recognizable here could only be guessed at there. As one of a total of 62 candidates for micrometeorites in the 100-150 µm fraction of a sample taken from a large roof in June 2019, it went through the examination using a scanning electron microscope (SEM).
The overview image of the approximately 125 µm large spherule does not initially match any of the known candidates of the S-type or the Scoriaceous type: The surface is dominated by dendritic magnetites, as is the case with some industrial spherules. Below or in between there is another phase with ribbon-like structures and lower element mass (darker color in the picture):

Spectral analysis showed an approximately chondritic composition and the presence of nickel. Differences from expected bulk measurements (area measurements away from metal droplets) known from representatives of the S-type are:
- the unusually high iron content (approx. 55%)
- the presence of sodium (otherwise only occurs occasionally in the Po)
- the presence of sulfur (otherwise only occurs in connection with metal droplets or crusts)
- the presence of potassium (has not been measured before by myself, unless it is due to organic impurities adhering to the micrometeorite)
- an extraordinary amount of titanium


The measurement of the two phases shows that titanium is built into the magnetite crystals, which is known from many micrometeorites. The high density of magnetite crystals results in the high titanium content. The lower layer contains some sodium, sulfur and potassium. Sodium and sulfur are considered to be elements that evaporate even at low heating. Potassium is rarely mentioned as a significant component in micrometeorites but is frequently observed in industrial spherules. This and the unusual visual appearance initially led me to the conclusion that it is probably an terrestrial particle.
On another day I looked at the particle again on the SEM and while playing with the contrast setting I discovered a tiny bright point that lay on the dendritic magnetite crystals (due to the lower contrast setting, these now appear darker than in the previous picture):

The measurement of the element spectrum of this point was the breakthrough.

I had already observed this spectrum on other micrometeorites, it is a microdroplet with the platinum group elements (PGE) osmium, iridium, platinum, ruthenium, rodium and palladium. Such droplets are not uncommon in micrometeorites, but this composition would be extremely unusual for terrestrial particles.
But how should one classify the micrometeorite? Was it a BO (Barred Olivine) with an unusual amount of magnetite on the surface? Or does the high iron content allow the conclusion that it is a representative of the G-type?
Surface images of G-type micrometeorites are quite rare in the literature, as the micrometeorites are often first polished to reveal the unweathered interior for the analysis. A surface photo of an Antarctic find can be found in the publication “Micrometeorites” by Folco and Cordier (2015) in Fig. 3j. The resolution of the image, however, did not allow any comparison. This took place first after the original picture was sent to me. Although the particle in the literature is approx. 400 µm in diameter and although it is known that micrometeorites from the Antarctic are often more weathered on the surface than urban specimens, the same pattern can be seen:

According to the literature on Antarctic micrometeorites, the elements Na, K and S are not common for G-type. It is possible that the THMM480 is a less strongly heated specimen or these element occurrence are due to the slight weathering.
In any case, the comparison with the image material of an Antarctic representative succeeded in proving that the THMM480 is a G-type.