Hintergrund
Neuste Berechnungen des globalen Eintrags von Mikrometeoriten auf der Erde durch direkte Probenahmen in verschiedenen Ablagerungen in der Antarktis beziffern diesen auf etwa 1500 t/yr (Suttle & Folco 2020) bis 5200 t/yr (Rojas et al. 2021).
Dies entspricht einem Eintrag zwischen 2,9 µg/m²/yr und 10,2 µg/m²/yr oder anders ausgedrückt: ein 150µm-Ø-Partikel je 1,6 m²/yr bzw. je 0,5 m²/yr (bei einer angenommenen mittleren Partikeldichte von 2,7 g/cm³).
Unterschiede in der Ermittlung begründen sich vor allem darin, dass
- das genauer Alter der beprobten Sedimente oft nicht genau bestimmt werden kann
- die Flächengröße des Eintrags nicht genau definiert werden kann, z. B. weil Wind die Partikel von ihrem ursprünglichen Einfallort hin zu Windsenken verfrachtet
- bei besonders alten Sedimenten die Verwitterung einige Mikrometeorite unkenntlich gemacht hat
Hinzu kommt, dass ungeschmolzene Mikrometeorite nicht immer leicht unter dem Lichtmikroskop von terrestrischen Partikeln unterschieden werden können und somit mitunter die Erfassung nicht vollständig ist. Genge et al. (2020) nennt unterschiedliche Sammelmethoden und irdische Verwitterung als weitere Gründe für Ungenauigkeiten.
Im städtischen Gebiet auf Flachdächern hingegen sind die Sedimentationszeiträume und die Fläche in der Regel sehr gut bekannt. Dennoch ergab ein erster Versuch, den Eintrag über die Beprobung des Sediments eines Daches zu ermittelt, einen unrealistisch geringen Wert von 13,4 t/yr (Suttle et al. 2021). Dies entspricht 0,03 µg/m²/yr oder einem 150µm-Ø-Partikel je 182 m²/yr.
Denkbare Ursachen für diesen sehr geringen Wert sind:
- Mikrometeorite werden auf dem Dach immer wieder mit dem Regenwasser in die Abflüsse fortgespült.
- Durch Dachreinigungsarbeiten wird regelmäßig Sediment und mit diesem Mikrometeorite vom Dach entfernt.
- Bei Sturm werden Partikel vom Dach fortgeweht.
- Aufgrund bestimmter Gegebenheiten kann das Sediment auf einem Dach nicht immer zu 100 % in die Probenahme einbezogen werden kann.
Weitere Gründe liegen aber auch
- in der gängigen Art der Beprobung:
Aufgrund der geringen Konzentration an Mikrometeoriten im Dachsediment muss deren Konzentration durch verschiedene Schritte zunächst stark erhöht werden, bevor darin unter dem Stereomikroskop nach Mikrometeoriten gesucht werden kann – bei jedem dieser Schritte geht auch ein gewisser Anteil der Mikrometeorite verloren – vgl. Schritt 3 und Schritt 4. Dies betrifft insbesondere aber nicht nur schwach oder gar nicht magnetisch reagierende Mikrometeorite. - darin, dass nicht alle Mikrometeorite gleichermaßen leicht von terrestrischen (industriellen) Partikeln unterschieden werden können:
So werden insbesondere ungeschmolzene Mikrometeorite, kosmische Sphärulen des I-Typs und generell kleine Exemplare < 100 µm unvollständig oder gar nicht als solche erkannt und extrahiert.
In diesem Experiment wird der Versuch unternommen, durch Minderung einiger der oben genannten Störfaktoren, den Eintrag kosmischer Partikel genauer zu ermitteln. Da jedoch Störfaktoren bleiben, ist anzunehmen, dass der reale Eintrag damit nicht ermittelt werden kann.
Durch Beprobung in kurzen Zeiträumen wird zudem versucht, Erkenntnisse über die Schwankungen zu erlangen – Schwankungen in der Masse des Eintrags aber auch Schwankungen in dessen Zusammensetzung.
Versuchsdesign
Es wurden in Berlin zwei unterschiedliche Flachdächer ausgewählt und die Möglichkeit des regelmäßigen Zugangs zu diesen mit den Besitzern vereinbart:
Fläche | Abdeckung | Randerhöhung | Abflüsse | Umgebung | |
Dach HAPIMAG | ca. 335 qm | Bitumen-Dachpappe | zwischen 15 und 50 cm | einzelne zerstreut positionierte Abflüsse | Eckhaus in einer 5-stöckigen Wohnhausreihe |
Dach IKEA | ca. 1730 qm | Kunststofffolie | N, E: 10 cm, S, W: mehrere Meter | Abflüsse entlang zweier Bahnen in Senken | Tieferliegender Teil eines großen gewerblichen Gebäudekomplexes |
Auf beiden Dächern wird zunächst durch intensives Fegen das vorhandene Dachsediment bestmöglich entfernt. Unmittelbar nach der Säuberung wird auf beiden Dächern einen „Nullprobe“ genommen, um zu überprüfen, ob die Säuberung erfolgreich war oder ob Mikrometeorite auf dem Dach verblieben sind.
Anschließend wird in regelmäßigen Abständen das neu angesammelte Sediment im getrockneten Zustand zusammengefegt, entnommen und auf Mikrometeorite hin analysiert. In den Sommermonaten erfolgt dies in kürzeren Abständen, in den Herbst- und Wintermonaten erzwungen durch die Witterung in größeren Abständen, sofern überhaupt möglich.
Das Experiment startet im Juli 2021 und soll bis Hebst 2022 fortgesetzt werden. Die Beprobungen in 2021 dienen vornehmlich der Überprüfung und ggf. Optimierung der Beprobungsmethode. In 2022 sollen die Beprobungen dann zeitlich engmaschiger durchgeführt werden, um den Jahresverlauf genauer zu analysieren.
Die parallele Beprobung von zwei Dächern soll helfen, lokale Effekte von relevanten „globalen“ Effekten zu unterscheiden, bzw. den Ergebnissen mehr Aussagekraft verleihen. Beide Dächer liegen etwa 10 km voneinander entfernt.
Parallel zur Untersuchung auf dem Dach werden öffentlich zugängliche Daten gesammelt, die später für die Interpretation nützlich sein könnten, z. B. Wetterdaten zu Niederschlag und maximaler Windgeschwindigkeit je Tag.